Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25. Juli 2012 (Az.: 11 O 40/12)
I. Leitsätze
1. Ein Versicherungsnehmer, der eine Reiseabbruchversicherung
abschließt, geht davon aus, dass er eine Entschädigung für infolge des
Abbruchs nicht in Anspruch genommene Leistungen erhält.
2. Bei einer Schiffsreise ist eine Abgrenzbarkeit der Leistung nach
einzelnen Tagen gegeben, so dass eine Leistungspflicht aus der
Reiseabbruchversicherung auch dann besteht, wenn die Schiffsreise
bereits angetreten wurde.
II. Sachverhalt
Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung auf Leistungen aus einer
Reiseabbruchversicherung in Anspruch. Der Kläger hatte für sich und seine Ehefrau bei dem
Reiseveranstalter A. eine Kreuzfahrt für die Zeit vom 23. Oktober bis 29. November 2011 zu
einem Pauschalpreis von 12.942,00 Euro gebucht. Im Preis waren die Flugkosten, der
Rücktransfer per Bus von Hamburg nach Düsseldorf, eine Bearbeitungsgebühr, das
Ausflugsprogramm sowie die Kosten für die Kreuzfahrt einschließlich der Nebenkosten
enthalten.
Der Kläger zahlte den Reisepreis mit seiner ADAC-Visa-Goldkarte, womit der Abschluss
einer Reiserücktrittskostenversicherung sowie einer Reiseabbruchversicherung bei der
Beklagten verbunden war.
Die Versicherungsbedingungen der Beklagten enthalten folgenden Wortlaut:
„Der C. leistet auch eine Entschädigung für gebuchte und versicherte, jedoch von dem
Versicherten und den geschützten Personen aufgrund des Abbruchs der Reise nicht mehr in
Anspruch genommene Reiseleistungen. Reiseleistungen, die angetreten sind, und zum Teil
in Anspruch genommen werden konnten, sind nicht erstattungsfähig. Versicherungsschutz
besteht (…) sofern (…) die planmäßige Beendigung der Reise für die versicherte Person
unzumutbar gewesen ist.“
Nachdem der Kläger die Reise programmgemäß angetreten hatte, zog er sich im weiteren
Verlauf eine dreifache Sprunggelenksfraktur im rechten Fuß zu. Die Operation der Verletung
erfolgte am 5. November 2011 auf der Insel Barbados. Das Schiff war bereits am gleichen
Tag von Barbados aus weiter gefahren. An Bord waren keine mit Rollstuhl befahrbaren
Kabinen vorhanden. Am 11. November erfolgte der Rückflug über London nach
Deutschland. Es folgte ein stationärer Aufenthalt des Klägers vom 11. bis zum 17.
November.
Der Kläger ist der Ansicht, er habe aufgrund des Abbruchs der Reise einen Anspruch auf
Entschädigung für die von ihm und seiner Ehefrau nicht mehr in Anspruch genommenen
Reiseleistungen.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Reiseleistungen seien nicht erstattungsfähig, da der
Kläger und seine Ehefrau die Schiffsreise angetreten haben.
III. Aus den Entscheidungsgründen
Die zulässige Klage ist begründet. Die Verletzung des Klägers ist eine unerwartete, schwere
Erkrankung im Sinne der Versicherungsbedingungen. Ein Reiseabbruch ist ebenfalls
gegeben, da der Kläger und seine Ehefrau die Reise aufgrund des Unfalls unplanmäßig
beenden mussten. Durch den Abbruch der Reise konnten sie die von ihnen gebuchten und
versicherten weiteren Reiseleistungen nicht mehr in Anspruch nehmen. Entgegen der
Ansicht des Beklagten liegt auch hinsichtlich des restlichen Teils der Schiffsreise keine
bereits angetretene und zum Teil in Anspruch genommene Reiseleistung, deren Erstattung
gemäß der Versicherungsbedingungen ausgeschlossen ist, vor. Die Auslegung dieser
Klausel muss sich nämlich davon leiten lassen, wie ein durchschnittlicher
Versicherungsnehmer die Klauseln bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht
und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Ein
Versicherungsnehmer, der neben einer Reiserücktrittskostenversicherung eine
Reiseabbruchversicherung abschließt, geht grundsätzlich zunächst davon aus, dass damit
nicht nur die zusätzlichen Kosten einer vorzeitigen Beendigung der Reise ausgeglichen
werden, sondern dass er auch eine Entschädigung für infolge des Abbruchs nicht in
Anspruch genommene Reiseleistungen erhält. Die Reiseabbruchversicherung soll den
Versicherungsnehmer gegen einen Schaden in Gestalt nutzloser Aufwendungen absichern,
der ihm entsteht, wenn er die Reise aus einem der versicherten Gründe abbrechen muss.
Würde man die Schiffsreise als einheitliche Reiseleistung im Sinne der
Versicherungsbedingungen ansehen, wäre im Fall einer vorzeitig abgebrochenen
Pauschalreise das abgegebene Leistungsversprechen der Beklagten quasi gegenstandslos.
Zwar handelt es sich bei dem Flug um eine weitere Teilleistung, jedoch entfällt der weitaus
größte Teil der Reiseleistung eben auf die Schiffsreise.
Aus Sicht des Versicherungsnehmers handelt es sich bei der Schiffsreise nicht um eine
einheitliche Reiseleistung, sondern vielmehr um mehrere voneinander abgrenzbare
Teilleistungen, die von ihm jeden Tag aufs Neue in Anspruch genommen werden können.
Der Anspruch ist der Höhe nach gegeben. Bei einem Reiseabbruch wird der Reisepreis
ersetzt, der anteilig auf die durch den Reiseabbruch nicht genutzten Reiseleistungen entfällt.
Dabei werden die Kosten der Rückreise grundsätzlich ausgeklammert. Etwas anderes gilt
jedoch bei einer Pauschalreise, wie im vorliegenden Fall: An- und Abreisekosten werden hier
nicht gesondert ausgewiesen, sie bilden vielmehr untrennbare Bestandteile des
Gesamtreisepreises. Insoweit ist der Gesamtpreis auf die einzelnen Reisetage aufzuteilen
und so der Wert eines Reisetages zu ermitteln. Abzüglich des Selbstbehalts und des vom
Reiseveranstalter aus Kulanz gezahlten Betrages besteht ein Anspruch des Klägers
gegenüber der Beklagten auf Zahlung von 6.490,72 Euro.
(Das Urteil ist rechtskräftig.)